Als sich das National Theatre vor fünf Jahren zum ersten Mal zur Aufführung eines Stückes von Alan Ayckbourn entschloß, dem fruchtbarsten Lustspielautor der englischen Sprache, da gab es Proteste. Gut verkäufliche Unterhaltungsware, die keiner Subvention bedürfe, gehöre auf die kommerziellen Bühnen des Westens, hieß es, nicht ins Nationaltheater, das die Gelder der Steuerzahler verantwortungsbewußter verwalten, mit seinen Pfunden in etwas anderem Sinne wuchern sollte. Inzwischen scheint sich die Öffentlichkeit mit der Entwicklung abgefunden zu haben. Das Bühnenbild zur Uraufführung des achtundzwanzigsten Ayckbourn-Stückes in dreiundzwanzig Jahren, der dritten Ayckbourn-Inszenierung des Nationaltheaters, kostete weit über 100.000 DM und geriet, wie man offen zugibt, “etwas über-ambitionös”. Die schon für Mitte August vorgesehene Premiere von ‘Way Upstream’ (Flußaufwärts) mußte “wegen technischer Schwierigkeiten” mehrmals verschoben werden, wobei durch den Ausfall von sieben Vorstellungen weitere 100.000 DM verloren gingen.
Der große Clou der Inszenierung ist ein über sieben Meter langes Motorboot, das in einem 27 000 Liter fassenden Wasserbecken auf der Bühne des Lyttelton Theatre zu schwimmen scheint und von drei Technikern, die im Bauch des Bootes liegen, nach verschiedenen Seiten hin- und herbewegt werden kann. “Es ist ja Aufgabe des Nationaltheaters, innovativ zu sein” (so ein offizieller Sprecher). Daß der Einfall nicht ganz so neu ist, wie man glaubt, tut der Sache keinen Abbruch, denn von den Zuschauern, die sich an John Easts Inszenierung des Stückes ‘Gezeiten’ im Londoner Britannia-Theater aus dem Jahre 1904 erinnern könnten oder sechs Jahre später im Londoner Paragon-Theater beim Mißlingen eines ähnlichen Spektakels fast ersäuft worden wären, dürfte heute keiner mehr am Leben sein.
Ayckbourn lädt uns ein, zwei Ehepaare auf einer siebentägigen Bootsfahrt flußaufwärts zu begleiten. Keith und Alistair sind Geschäftspartner in einer kleinen Spielwarenfabrik. Was als geruhsamer Erholungsurlaub der überlasteten Manager geplant war, wird zum gefährlichen Abenteuer, einem ständigen Kampf der unerfahrenen Navigatoren mit der Tücke der Objekte, schließlich gar zum Kampf mit einem Freibeuter der erst das auf Grund gelaufene Boot wieder flott zu machen hilft, dann aber eine der beiden Frauen erobert, eine Meuterei anzettelt, sich selbst zum Captain ernennen und alle übrigen nach seiner Pfeife tanzen läßt. Das anfangs sehr witzige, harmlos komische Spiel endet schröcklich melodramatisch mit grausamen Bestrafungsritualen der Ungehorsamen, blutüberströmten Köpfen und zuguterletzt mit einer verkitschten Apotheose des kleinen, furchtsamen Mannes, der plötzlich zum Helden wird und nach siegreicher Schlacht an der Brücke Armageddon mit seiner durch Furcht und Schrecken von allen Verklemmungen geläuterten Ehefrau das Tal des Friedens erreicht.
“Über-ambitionös” – das läßt sich nicht nur vom Bühnenbild sagen, sondern auch von der dramatischen Idee als solcher, dem Versuch, ein Lustspiel, das Ayckbourn, wie wir wissen, meisterlich zu schreiben versteht, zum symbolischen Drama zu machen, in welchem das Boot als Bild der “Gesellschaft en miniature, in der einjeder seine bestimmte Rolle hat” gedacht ist, die Reise mit Hindernissen gegen den Strom (per aspera ad astra) als Sinnbild des Lebens.
So kommt es, daß das Stück unter des Autors eigener Regie, allen spektakulären Effekten und guten schauspielerischen Leistungen zum Trotz, samt seiner Bootsbesatzung baden geht. Der Kritiker der ‘Times’ schrieb nach der Premiere von einem “wässrigen Grab” und meinte: “Das Stück zeigt das selbstmörderische Schauspiel eines Autors, der sich über die Grenzen seiner Begabung hinaustreibt und dabei kläglich scheitert”.