die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1988
Text # 228
Autor Donald Freed
Theater
Titel The Quartered Man
Ensemble/Spielort Shaw Theatre/London
Inszenierung/Regie Donald Freed
Brit. Erstaufführung
Sendeinfo 1988.02210/SWF Kultur aktuell/DLF/BR 1988.0211/HR/RIAS/SRG Basel 1988.02.12/WDR/Nachdruck: Darmstädter Echo

Als die nicaraguanische Regierung im Herbst 1986 der in Managua erscheinenden Zeitung ‘La Prensa’ die Lizenz zur Veröffentlichung entzog, erhob sich in den Ländern des Westens ein Schrei der Entrüstung. Der Anlaß schien geeignet, die Welt davon zu überzeugen, das allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz von Demokratie in Nicaragua keine Rede sein konnte. Mit dem Verbot einer Zeitung, die sich das Recht zur Redefreiheit genommen und über offenbare Mißstände im Land zu schreiben gewagt hatte, ließ die sandinistische Diktatur die demokratische Maske fallen und zeigte endlich ihr wahres Gesicht. Die Gründe für diese Maßnahme schienen unerheblich. Wichtig war nur die Erkenntnis, daß die Regierung von Nicaragua, wie die Regierungen aller unfreien Völker, die Verbreitung von Nachrichten zensierte und sich auch nicht scheute, kritisch gesinnten Presseorganen notfalls das Handwerk zu legen.

Der Tatbestand schien sonnenklar – zumindest für den, der so gut wie nichts über den Charakter der Zeitung wußte, gegen die die Behörden, die doch voraussehen mußten, wie die Weltöffentlichkeit darauf reagieren würde, in diesem Fall eingeschritten waren (die Reaktion war dann bekanntlich so stark, daß man sich genötigt sah, das Verbot wieder aufzuheben).

Die im Programmheft zur britischen Erstaufführung des Stückes ‘The Quartered Man’ nachgedruckte Titelseite einer Ausgabe von ‘La Prensa’ mit ihrem Patchwork aus phantastischen Greuelgeschichten und hanebüchenen ‘Reportagen’, die geradewegs aus Julius Streichers deutschem Wochenblatt ‘Der Stürmer’ stammen könnten, bringt unter anderem einen Bericht über das Wiederauftauchen jener in früheren Ausgaben der Zeitung erwähnten Gestalt eines mutmaßlich von Sandinisten (wem sonst?) “viergeteilten Mannes”, den keiner kenne, weil “die nervösen Polizeibehörden” jede Auskunft über seine Identität verweigerten. “Entsetzte Dorfbewohner“ (so die neue Meldung) waren dem “viergeteilten Mann”, der trotz gründlicher Zerstückelung überlebt haben mußte, überraschend wiederbegegnet.

Die nicaraguanische Regierung hatte vor anderthalb Jahren erklärt, man habe der von der CIA finanzierten Zeitung ‘La Prensa’ die Lizenz entzogen, weil sie seit Jahren mit erfundenen Greuelgeschichten Unruhe zu stiften versuche. “Der viergeteilte Mann” wurde zum Titel des neuen Stückes von dem amerikanischen Autor Donald Freed, weil die Horrorstory, auf die er zurückgeht, und die Art ihrer Präsentation, wie Freed glaubt, die verblüffend primitiven und doch sehr wirksamen Methoden der Subversion in den in Zentralamerika zurzeit geführten sogenannten geheimen Kriegen erkennen läßt.

Was daraus wurde, ist eine Art Psycho-Thriller, in dessen Mittelpunkt die Figur eines CIA-Agenten steht, der (wie zuvor in anderen Brennpunkten der Welt, in Südostasien und im Mittleren Osten) die Aufgabe hat, in Bild, Ton und Wort ‘Dokumente’ zu fabrizieren, die sich in den Verleumdungskampagnen als Beweismittel für ‘terroristische’ Aktivitäten von Regierungen gebrauchen lassen, welche im Unterschied zu den von den USA gestützten oder eigens geschaffenen Diktaturen Süd- und Mittelamerikas sich aus der Abhängigkeit der amerikanischen Großmacht befreien möchten.

George O’Connor hat die Rolle des verdienten, von Kenedy dekorierten Geheimagenten zu lange gespielt, hat selbst so viel foltern und morden lassen, daß die Schreie der Opfer ihrem Mörder (wie die Geister der Erschlagenen in Richard III) keine Ruhe mehr können. Ein Priester, der das Verschwinden einer amerikanischen Nonne aufzuklären versucht und dabei erfährt, daß sie wegen ihrer Sympathien für die Revolution von einem Kommando der Contras ermordet wurde, bringt den von der Last der eigenen Schuld erdrückten O’Connor an die Schwelle der Desertion. Der amerikanische Botschafter sieht sich daraufhin gezwungen, einen bewaffneten Überfall zu fingieren und seinen getreuen Komplizen, den verdienten Helden der Nation George O’Connor, liquidieren zu lassen.

Das Stück ist dem Bühnendichter Harold Pinter gewidmet, der gegen die geheimen Aktivitäten der CIA wiederholt protestiert und zu verstehen gegeben hat, daß jeder, der mit Folter und Mord für Freiheit und Demokratie zu kämpfen behauptet, Freiheit und Demokratie in Wahrheit mit Füßen trete.

Zur Inszenierung des Stückes, für die der Autor selbst verantwortlich zeichnet, möchte man am liebsten schweigen, weil sich so wenig Gutes darüber sagen läßt. Die zwielichtigen Verwicklungen, die das Stück erhellen zu wollen scheint, werden durch die Ungeschicklichkeit eines hilflosen Regisseurs mehr verschleiert als aufgedeckt, so daß sich der Zuschauer in der Verlegenheit sieht, die teils wirklichen, teils phantasierten Vorgänge mühsam enträtseln zu müssen. Die Abrechnung mit den Verbrechen des amerikanischen Geheimdienstes, so verworren-verwirrend auf die Bühne gebracht, wird die Drahtzieher und Hintermänner, die das Stück treffen möchte, kaum ein Achselzucken kosten.

Nach Oben