Vier Aufführungen des Bow Gamelan Ensembles gehören zu den ungewöhnlichsten und spektakulärsten Ereignissen des in diesem Sommer zum vierten Mal stattfindenden London Festival of Theatre (LIFT ’87).
Drei zunächst unabhängig voneinander im In- und Ausland bekanntgewordene Künstler bilden den Kern der 1983 gegründeten Truppe: die Performance-Künstlerin Anne Bean, der Schlagzeuger Paul Burwell und der Bildhauer Richard Wilson. Der Name des Ensembles bezieht sich auf den Ostlondoner Vorort Bow, in dem sie zuhause sind, und auf die traditionellen indonesischen Gongorchester Gamelan. Die von dem Londoner Bow Gamelan Ensemble auf selbst gebauten Instrumenten produzierten Geräusche und Klänge erinnern allerdings kaum noch an Südostasiatisches. Es sind die Stimmen einer anderen Welt: der modernen Industrielandschaft.
Auf einer sonst nur von Gänsen, Enten und anderen Wassertieren bewohnten Insel der Themse in der Nähe des großen botanischen Gartens von Kew steht ein seit vielen Jahren verlassenes Dock. Das Bow Gamelan Ensemble hatte sich vorgenommen, das riesige, schuppenartige Bauwerk mit seinen Landebrücken und Kaimauern, die sich bei Ebbe drei bis vier Meter hoch aus dem Wasser heben, seinen verrosteten Kränen und Winden, Ambossen und Schmiedeöfen für ein paar Abende mithilfe von Licht, Feuer, Wasser, Schall und Rauch wieder zum Leben zu erwecken. Titel des Projektes: (nach den vor der Küste verankerten schwimmenden Ölbohranlagen) ‘Offshore Rig’.
Das Publikum sitzt auf einem Gerüst, das auf der Themse zu schweben scheint, und erlebt, wie bei beginnender Dämmerung die alten Essen wieder befeuert werden, wie Dampfpfeifen, Klingeln, Schweißbrenner und ein Chor von Staubsaugern ihre sehr verschiedenen Stimmen erheben, Feuerwerkskörper zischend, heulend und knatternd umherjagen, Wasserfontänen aufschießen und die Themse farbig beleuchtet zu sprudeln beginnt.
Tonnen, Rohre, Kessel und andere Schrottgegenstände werden zu Klangkörpern eines teils dramatischen, teils lyrischen, mehr oder weniger strukturiert oder chaotisch wirkenden, improvisierten Orchesterkonzerts aus realen Geräuschen.
Zur Vorbereitung des Projekts mußten die Mitglieder des Bow Gamelan Ensembles drei Wochen auf ihrer Themseinsel leben, um die verschiedenen Effekte auszuarbeiten und mit dem Rhythmus der Gezeiten, die an dieser Stelle des Flusses besonders extrem sind, vertraut zu werden. Was dabei entstand, läßt sich mit herkömmlichen Formen des Theaters kaum vergleichen: ein originelles, aus Klängen, Licht und Bewegung komponiertes, vergnügliches Spektakel, eine riesige tönende, bewegliche Skulptur.