Mehr als alle anderen Stücke von Athol Fugard ist ‘Master Harold and the Boys’ ein autobiographisches Dokument. Es bezieht sich auf ein Erlebnis aus der Jugend des Autors, das ihm in schmerzlicher Erinnerung geblieben ist und ihn mit tiefer, unauslöschlicher Scham erfüllt. Das Stück blendet zurück auf einen Tag des Jahres 1950, als Athol Harold Fugard, von seinen Freunden Hally genannt, noch zur Schule ging und seine Mutter in der südafrikanischen Hafenstadt Port Elizabeth ein kleines Café unterhielt.
Sam und Willie, die beiden schwarzen Kellner, sind die besten Freunde des Jungen, eine Art Elternersatz. Sein Vater, ein Alkoholiker, unter dem die ganze Familie zu leiden hat, liegt wieder einmal im Krankenhaus. Es ist ein scheußlicher Regentag. Durchnäßt kommt Hally aus der Schule nach Hause und trifft dort nur Sam und Willie an. Die Drei unterhalten sich, albern herum und tauschen Erinnerungen aus an die wenigen glücklichen Stunden einer von Sorgen und Angst belasteten Kindheit. Sam und Willie schwärmen von einem Ball, einem großen Tanzwettbewerb, der in den nächsten Wochen stattfinden soll, für die Schwarzen ein großes soziales Ereignis, und sie verraten, daß Willie davon träumt, einen der ersten Preise zu gewinnen. In Hallys Vorstellung wird der Tanzboden zum politischen Symbol einer Traumwelt, in der – da jeder sich an die Spielregeln hält – es keine Unfälle und Kollisionen mehr geben kann, die Utopie einer schönen, konfliktfreien Welt.
Ein Anruf der Mutter bringt ihn abrupt auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Die Nachricht, der Vater bestehe darauf, nach Hause zurückzukehren, wird von dem Jungen als unmittelbare Bedrohung empfunden. Sie provoziert einen Ausbruch von Haß und Verzweiflung, der sich ohne allen Grund gegen Sam entlädt und hier zur Klimax des Stückes wird. Hally beschimpft und beleidigt den Freund, nimmt plötzlich die Pose des Herrenmenschen ein, des weißen Bosses, der darauf besteht, in Zukunft mit ‘Master Harold’ angeredet zu werden, und als Sam gelassen und würdevoll ernst darauf reagiert, spuckt ihm der Junge ins Gesicht.
Es ist der Augenblick, an dem das Stück, das durch seine lange Exposition, den ermüdenden Austausch allzu privater Erinnerungen die Geduld des Publikums einigermaßen überfordert, endlich zum Leben erwacht. Es ist der Augenblick, an dem uns aufgeht, daß dieses Stück, wie Fugard unumwunden zugibt, vor allem für ihn, den Autor, selbst geschrieben werden mußte, ein Akt der Beschwörung des Bösen, der Scham, die ihn seit jenem Erlebnis belastet zu haben scheint, Bekenntnis zur eigenen Schande, um sich davon zu befreien.
Der Text steckt voller trächtiger Symbole, die ihn gelegentlich zum moralischen Traktat werden lassen. Bei aller Bewunderung für die Konsequenz, mit welcher Fugard sein Thema, die südafrikanische Tragödie, Thema aller seiner Stücke, in immer wieder neuen Variationen darzustellen versteht, muß doch gesagt werden, daß ‘Master Harold and the Boys’ nicht eine seiner stärksten Arbeiten ist.
Das Londoner Publikum schien dessen ungeachtet am Ende von Fugards Inszenierung und dem Spiel der südafrikanischen Darsteller John Kani, Ramolao Makhene und Durart Sylwain tief beeindruckt. “Wie schon so oft bei Fugard”, schrieb der Kritiker der Londoner ‘Times’ nach der Premiere, “wird der Widerstand, mit dem man den Stücken anfangs begegnet, von der Leidenschaft und bloßen moralischen Autorität, mit der Athol Fugard seine Sache vertritt, hinweggefegt”.