Zu den Besonderheiten der People Show gehört die immer wieder erstaunliche Tatsache, daß sich ihre Aufführungen der direkten Interpretation entziehen und dem Zuschauer, der sich selbst oder anderen die Faszination der kaum beschreibbaren szenischen Gebilde zu erklären versucht, bewußt machen, wie weit wir unseren Begriff von Theater verengt haben auf bestimmte Formen des literarischen, rational faßbaren Dramas, so daß wir in Gefahr sind zu vergessen, worauf es hier, wie bei jeder Kunst, vor allem anderen ankommt: auf das Abenteuer, das überwältigende Gefühl des Durchbruchs zur Erfahrung einer anderen Wirklichkeit, die wie jedes einzelne Kunstwerk, zwar auch zur sogenannten realen Welt der harten Tatsachen gehört, doch als Poesie von ihr, der unmittelbaren Realität der Dinge, sich ebensowohl befreit und in diesem Akt der Befreiung das utopische Moment an Kunst offenbart, die ‘Verheißung der Möglichkeit eines besseren Lebens’.
Die People Show 82, vorgestellt im kleinen Bush Theatre, führt uns in eine Art Bodybuilding Center. Von den steilen Stufen der improvisierten Zuschauerränge blickt man hinunter in einen turnhallenähnlichen Gymnastiksaal mit hohen Fenstern zur Straße, von wo das Gesumme der Autos hereindringt wie ferne Meeresbrandung. Im Halbdunkeln erkennt man eine weibliche Gestalt, die aus tiefem Dornröschenschlaf zu erwachen scheint und sich im Zeitlupentempo zur Tür bewegt, wo ein ebenso verschlafen wirkendes, kauendes Mannsbild Einlaß begehrt: der erste Kunde dieses Abends. Das Zeremoniell der Eintragung ins Register und der Bezahlung rückständiger Beiträge wiederholt sich bei der Ankunft der weiteren Gäste, die sich je nach Begabung und Neigung an den verschiedenen Foltergeräten abarbeiten, tänzerischakrobatische Zirkusnummern üben oder – wie Mark, der schmächtige Intellektuelle – mit verbalen Kraftakten dem männlichen Selbstwertgefühl auf die Sprünge zu helfen versuchen.
Dem Quartett der Männer, das wie auf ein geheimes Zeichen von Zeit zu Zeit auf scheinbar zufällig bereitliegenden Musikinstrumenten melancholische Weisen spielt, gesellen sich zwei weitere, weibliche Wesen zu, eine maskuline Schwarze mit eindeutig gleichgeschlechtlichen Gelüsten und eine spinnengliedrig dürre, anämische Blonde, mit der Emil, der ebenso schöne wie dumme Akrobat, artische Glanzleistungen vollbringt, die zur Eifersuchtstragödie führen und mit schaurig pathetischem Theatermord enden.
Während der ganzen Zeit hat ein schwarzer Mann mit gewaltigem Zottelhaarschopf vor einem Blumenkastenfenster gestanden und bewegungslos in den Raum gestarrt, bis das phantastisch absurde, spielerische Treiben ausgeklungen, die musikalische Bande abgezogen ist und er, der einsame Voyeur, das schwarze Biest, samt Fensterrahmen ins Zimmer vordringt – in die offenen Arme der nackt auf ihn wartenden Schönen, in die sich die prüde Dame an der Rezeption inzwischen verwandelt hat. Ein Happy-End.
Zur – wie gesagt, kaum beschreibbaren – Schönheit der aus Objekten und Menschen, Bewegung, Licht und Musik komponierten szenischen Vorgänge gehört die große Ruhe und Langsamkeit, das Zeremoniell im zärtlichen Verhalten, der leise Ton der manchmal kaum noch hörbar miteinander Sprechenden, die fließenden, sanften Übergänge und Stimmungswechsel sowie schlicht das, was wir als reine Poesie verstehen müssen, der die logisch analysierende Suche nach realen Sinnzusammenhängen nicht mehr beikommt, eine Poesie, deren Wahrheit sich nur dem Betrachter erschließt, der mehr ist als dies und zum Mitspieler wird, zum Passagier auf einer Reise ins abgründige Phantasieland der Träume.