die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1978
Text # 128
Autor Snoo Wilson
Theater
Titel The Glad Hand
Ensemble/Spielort Royal Court Theatre/London
Inszenierung/Regie Max Stafford-Clark
Uraufführung
Sendeinfo 1978.05.12/SWF Kultur aktuell/DLF/ORF Wien/SRG Basel

Snoo Wilson ist der jüngste der Autoren, die wie Howard Brenton und David Hare aus der Gruppe Portable Theatre hervorgegangen sind. Was den Stückeschreibern seiner Generation gelegentlich falsch verallgemeinernd nachgesagt wurde – Abwendung vom sozialen Realismus und Fixierung auf die albtraumhaften Schrecken und Ängste einer sensiblen Phantasie, Mobilisierung der dunklen Triebe gegen die gesetzten Verbindlichkeiten der Gesellschaft – das galt in besonderer Weise für die Stücke von Snoo Wilson. Sie schienen geprägt zu sein von der Faszination des Grauenhaften, Absonderlichen, Perversen, zwar mit gewissen Ansätzen zu Bewußtseinsanalyse, doch vor allem, soweit man sehen konnte, durchdrungen vom Gefühl der Verzweiflung, der Ohnmacht vor der Gewalt des Destruktiven.

Wilson hat es seinem Publikum bisher nicht leicht gemacht. Der eigenen Imagination folgend, ohne Zugeständnisse an die Verständlichkeit der traumhaften Vorgänge, wirkten seine Stücke oft kryptisch, obskur, absurd. Erst mit dem 1976 geschriebenen Szenarium ‘Die Seele der weißen Ameise’, einer metaphorischen Studie über Südafrika, dargestellt als verelendender Termitenstart, der von der Zerstörung seiner Umwelt lebt, bahnte sich eine Wende an. Pessimismus und Negativität verdichteten sich zur Kritik am eindringlich bildhaft Dargestellten.

Mit seinem neuen Stück ‘The Glad Hand’ (Die glückliche Hand), das soeben am Royal Court Theatre uraufgeführt wurde, ist dem Autor, der manchen schon lange als Geheimtip galt, erstmals der große Wurf gelungen. Das Stück spielt im Inneren eines abgetakelten Tankers, den ein paranoider Südafrikaner mit finanzieller Unterstützung der CIA für eine abenteuerliche Reise zum berüchtigten Bermuda-Dreieck gemietet hat, dem blinden Fleck im Auge der Zeit, durch den man in die Vergangenheit einsteigen kann, wenn man die richtige Formel kennt.

Ritsaat ist durchdrungen von der Idee, daß der Antichrist in Gestalt des Kommunismus die Welt in seinen Besitz zu bringen versucht. Wenn es gelänge, den Leibhaftigen selbst zu beschwören und ihn im Zweikampf zu vernichten, könnte die Welt noch gerettet werden. Nach langen ‘psycho-politischen Studien’ hat Ritsaat sich mit einer kleinen Schar von Abenteurern – zwei Schauspielern, einem impotenten Bühnendichter und einigen Iren – auf die Reise zum Bermuda-Dreieck begeben, wo sie den Bösen durch spielerische Rekonstruktion einer historischen Episode, die ihm, wie Ritsaat meint, in besonders lieber Erinnerung geblieben sein muß, aus den Tiefen der Zeit ins Licht der Gegenwart locken wollen, um ihm den Garaus zu machen. Unter Ritsaats Regie versuchen sie, sich ins Jahr 1886 zurückzuversetzen, als es im amerikanischen Westen an verschiedenen Orten zu einem Streik der ausgebeuteten Cowboys kam.

Über deren grausames Los hatten Eleonore Marx und Edward Aveling 1888 geschrieben: “Es gibt 8.000 bis 10.000 Cowboys, und keine Klasse wird ärger geschunden ..., keine für ihre Dienste schlechter bezahlt. Der Grund dafür ist einfach – es schützt sie keine Organisationen, während ihre Arbeitgeber einen der stärksten, bestorganisierten und zugleich autoritärsten Berufsverbände angehören, die zum Zwecke der Einschüchterung und Lenkung der Arbeiterschaft je gebildet wurden”.

So irrsinnig Ritsaats Vorhaben erscheinen mag, den Antichrist zu beschwören, um ihn für immer zur Strecke zu bringen: Aus dem in blindwütige Agression umgeschlagenen Verfolgungswahn des Kommunistenhassers spricht die Ideologie des modernen Kapitalisten, der die Solidarisierung der für ihn Arbeitenden trickreich zu verhindern weiß, wie Ritsaat mit Drohungen und Schmeicheleien jede Form von Protest gegen schlechtes Essen, miserable Unterkünfte, Bespitzelung und schikanöse Behandlung bereits im Keim erstickt.

Was ihn freilich, zum glücklichen Ausgang der merkwürdigen Geschichte, nicht vor dem bösen Ende bewahrt. Die Gegängelten rächen sich. Sie spielen dem Chef einen Streich, machen den fetten schwarzen Koch besoffen und präsentieren ihn in martialischer Verkleidung als Erscheinung des beschworenen Antichrist, der zur allgemeinen Überraschung plötzlich aus der Rolle fällt, aus dem grausamen Spiel Ernst werden läßt und den Zaubermeister auf dem Höhepunkt seines mutmaßlichen Triumphes über den Haufen schießt.

Was sich bei der verkürzten Beschreibung der Vorgänge vielleicht wie eine allzu durchsichtige Moritat ausnimmt, ist in Wahrheit eine höchst originelle, glänzend geschriebene Farce, deren Hintersinn sich nur zwischen den Zeilen mitteilt, die phantastische Komödie von einem, der auszog, den Teufel zu jagen, und sich dabei wie Don Quichote von den eigenen Wahnbildern besiegen lassen muß.

Die Inszenierung von Max Stafford-Clark läßt den komödiantischen Möglichkeiten seiner Darsteller freien Lauf und sorgt für einen überaus vergnüglichen, anspielungsreichen Theaterabend.

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