die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1976
Text # 102
Autor Pam Gems
Theater
Titel Dusa, Fish, Stas and Vi
Ensemble/Spielort Hampstead Theatre/London
Inszenierung/Regie Nancy Meckler
Uraufführung
Sendeinfo 1976.12.10/SWF Kultur aktuell

 

‘Dusa, Fish, Stas and Vi’ von Pam Gems ist ein Stück über vier junge Frauen, die eine kleine Londoner Wohnung teilen. Dusa ist gerade geschieden worden und bangt um das Schicksal ihrer Kinder, die ihr Mann abgeholt und ins Ausland entführt hat. Fish agitiert im politischen Untergrund für die Rechte der Frau und gegen ein ausbeuterisches Gesellschaftssystem. Stas stiehlt sich in den Geschäften zusammen, was sie gebrauchen kann, und geht auf den Strich, um in Hawaii Meeresbiologie studieren zu können. Vi ist Yoga-Adeptin und hungert sich fast zu Tode, bevor sie als Politesse (“Ich hasse Autos!”) eine leidlich befriedigende Aufgabe findet.

Was die vier Mädchen verbindet, ist die Entscheidung, ihr Schicksal selbst bestimmen zu wollen, frei von den Zwängen der Männerwelt. Das Stück zeigt, wie schwierig die Durchführung dieser Aufgabe ist. Für Dusa wird der Verlust des Partners bedeutungslos, sobald sie von der Entführung der Kinder erfährt. Vi flüchtet sich in den Dämmerzustand des Halbbewußten, weil sie mit dem Leben nicht fertig wird. Stas hat ihre eigene, rationale Moral entwickelt, die ihr hilft, sich über die von der Gesellschaft definierten Grenzen von Recht und Anstand hinwegzusetzen. Fish gibt sich selbstbewußt überlegen, frei von der stillen Sehnsucht der anderen nach Liebe und häuslichem Glück, zerbricht aber schließlich an der Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität.

Die Absage an die festgelegte Rollenverteilung (“Wir tun nicht, was sie wollen“), der Wunsch nach einem erfüllten Leben, das frei wäre von sexuellen, sozialen Zwängen, auf der einen Seite – die Angewiesenheit auf die Zuneigung eines anderen, die Fixierung auf den Mann ihrer Wahl oder die Funktionen der Mutter auf der anderen Seite bezeichnen das Dilemma der jungen Frauen

Es ist die Stärke des Textes, diesen Konflikt in zahllosen kleinen Details in Worten, Haltungen und Gesten der Mädchen festgehalten zu haben. Das Stück hat Witz und Humor und eine gehörige Portion Selbstironie; es wirkt wahr und teilt sich unaufwendig und schnörkellos mit. Es hat gute, witzige Dialoge, wobei das Wichtigste oft zwischen den Zeilen gesagt wird. Nancy Mecklers brillante Inszenierung im Hampstead Theatre läßt den Text als ideale Partitur für ein virtuoses Damenquartett erscheinen. Ein bemerkenswertes Stück.

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