die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1972
Text # 29
Autor Welcome Msomi
Theater
Titel Umabatha
Ensemble/Spielort World Theatre Season ’72/Aldwych Theatre/London
Inszenierung/Regie Pieter Scholtz
Sendeinfo 1972.04.06/SWF Kultur aktuell/ORF Wien

Die ‘Welttheaterwochen’ im Aldwych Theatre, dem Londoner Domizil der Royal Shakespeare Company, begannnen in diesem Jahr mit einem Paukenschlag: der erste Auftritt eines Zulu-Theaters außerhalb seiner südafrikanischen Heimat wurde zu einem viel umjubelten, auch von der britischen Presse einstimmig gepriesenen Erfolg. Das 55-köpfige schwarze Ensemble des Natal Theatre Workshop gastiert mit einem Zulu-Drama über das Macbeth-Thema von Welcome Msomi, der gemeinsam mit Professor Elisabeth Sneddon, der Direktorin des Theaters, die Idee für ‘Umabatha’ entwickelte.

Es ist nicht bloß eine afrikanische Version des Shakespeare-Stückes, obwohl es im szenischen Ablauf dem klassischen Vorbild folgt, sondern zugleich die Dramatisierung einer turbulenten Phase der südafrikanischen Geschichte. ‘Umabatha’ wurzelt, wie es heißt, in wirklichen historischen Tatsachen. Es führt zurück auf den Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der Zusammenführung zahlreicher südafrikanischen Stämme zu einem nationalen Verband unter Vorherrschaft der Zulus mit ihrem rigorosen Führer Shaka, der als ‘schwarzer Napoleon’ in die Geschichte einging. Shaka, der historische Mabatha, brachte sich 1818 mit moralischer Unterstützung seiner Frau an die Macht, die er mit skrupelloser Härte über ein Jahrzehnt verwaltete. Aus seinen Kriegern formierte er eine der diszipliniertesten und schlagkräftigsten Armeen jener Zeit. Shaka wurde 1828 von Angehörigen seiner engsten Gefolgschaft ermordet.

Stammesrivalitäten, Machtkämpfe, Intrigen, Betrug und Mord gehören bis heute zum politischen Alltag des afrikanischen Kontinents. Die soziale Struktur der Zeit, auf die Shakepeares Macbeth-Drama sich bezieht, entspricht in vielen Zügen dem Erfahrungsbereich der Afrikaner, so daß man, wie geschehen, mit einigem Recht behaupten kann, der Geist der Shakespearschen Tragödien sei afrikanischer Mentalität heute näher als unserem eigenen Vorstellungsvermögen.

Welcome Msomi hat die dramatische Vorlage auf die wichtigsten Momente der Handlung reduziert und durch Einführung zeremonieller Gesänge und Tänze in die Welt der Zulus übertragen. Die Hexen werden zu grotesken, übermütig tollenden Medizinmännern. Die Brutalität der szenischen Vorgänge erscheint, obwohl sachlich kaum verändert, in der afrikanischen Macbeth-Version in milderem Lichte. Es ist, wie ein Londoner Kritiker schrieb, als führte eine Gruppe von Fremden eine allen bekannte dramatische Geschichte vor, und zwar in ihren eigenen Worten, wobei es mehr auf den Gang der Handlung als auf sorgfältige Charakterisierung der handelnden Personen ankommt.

Die Darstellung wirkt locker, die szenischen Ereignisse verlieren etwas von ihrem tragischen Gewicht. Banquo wird zum komischen Clown, Mabatha , erscheint eher furchtsam als ehrgeizig oder aggressiv. Die Schauspieler agieren mit ganz offensichtlichem Vergnügen.

Als Höhepunkte der präzisen Inszenierung, für die Pieter Scholtz, der künstlerische Leiter des Ensembles, verantwortlich zeichnet, müssen die zeremoniellen, melodisch monotonen Gesänge und hinreißend kraftvollen Tänze gelten, die mit atemberaubender Dynamik, akustisch wie optisch gleichermaßen faszinierend, als ritualisierter Ausdruck der Freude oder Trauer oder als Vorspiel zu blutigen Kämpfen dargeboten werden und das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hinrissen.

‘Umabatha’, der schwarze ‘Macbeth’, vorgeführt vom Natal Theatre Workshop mit Welcome Msomi, dem Autor, als Darsteller der Titelrolle, wurde zum glanzvollen Auftakt der Welttheaterwochen 1972.

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