die Jahre als Londoner Kulturkorrespondent
1970 bis 2001

Jahr 1974
Text # 70
Autor Athol Fugard
Theater
Titel Statements after an arrest under the Immorality Act
Ensemble/Spielort Royal Court Theatre/London
Inszenierung/Regie Athol Fugard
Hauptdarsteller Yvonne Bryceland/Ben Kingsley
Brit. Erstaufführung
Sendeinfo 1974.01.23/ SWF Kultur aktuell/Nachdruck: Darmstädter Echo

Athol Fugards Stücke, aufgeführt als südafrikanische Trilogie unter der Regie des weißen Autors am Royal Court Theatre London, sind ein solcher Erfolg geworden, daß schon vor der Premiere des letzten Stückes eine Verlängerung der Serie erwogen wurde, eine in diesem Fall besonders erfreuliche Ausnahmeregelung, womit ohne Zweifel nicht nur dem Autor gedient wäre, dessen Stücke in seiner Heimat bisher nur unter irregulären Bedingungen aufgeführt werden durften, sondern vor allem auch der Sache, für die Fugard so kompromißlos mutig eintritt, den Kampf für die Opfer einer Politik, die zum Inbegriff moderner Rassendiskriminierung geworden ist und deren unmenschliche Gesetze noch immer den Namen der “ höchst ehrwürdigen Majestät der Königin von England“ im Titel führen.

Im Text der ‘Immorality Act’, die im April 1957 vom Generalgouverneur der britischen Krone unterzeichnet wurde, heißt es: “Jede weiße Person, die mit einer farbigen, jede farbige Person, die mit einer weißen ungesetzlichen Geschlechtsverkehr oder einen unmoralischen oder unzüchtigen Akt begangen hat oder zu begehen versucht, anstiftet oder begünstigt, wird bestraft mit Gefängnis und Zwangsarbeit bis zu sieben Jahren, männliche Personen im Alter bis zu fünfzig Jahren darüber hinaus mit Auspeitschen bis zu zehn Streichen”.

Das dritte und letzte Stück der Fugard-Serie im Royal Court Theatre trägt den Titel ‘Statements after an arrest under the Immorality Act’ (Aussagen nach einer Verhaftung aufgrund des Immoralitätsgesetzes). Das Stück zeigt ein Liebespaar, das sich im Sinne der ‘Immorality Act’ strafbar macht, weil die Frau als weiß, der Mann (obzwar äußerlich nicht mehr erkennbar) als farbig gilt. Die beiden haben fast ein Jahr lang heimlich miteinander verkehrt, sind von einer Nachbarin, die ihnen nachts auflauerte, denunziert, von der Polizei beobachtet und schließlich, als man ganz sicher zu sein glaubte, in flagranti gefaßt worden.

Eine tief traurige, Mitleid und Abscheu erregende Geschichte, die unausweichlich dem bösen Ende zutreibt. Der Zauber der Liebesszenen des nackten Paares, die Gespräche über ihre unterschiedlichen Lebensbedingungen; der Stolz des Mannes und sein Ekel vor den erniedrigenden Umständen, denen er, trotz seiner Intelligenz und der gegen alle Widrigkeiten mühsam erworbenen Bildung, nicht entfliehen kann; die Angst vor Entdeckung; die Scheinwerfer und grellen Blitze der Polizeikameras beim gewaltsamen Eindringen der Beamten; das Gefühl der Schmach, der Ohnmacht; der stroh-trockene Bericht des Kommissars mit allen Einzelheiten des Falles vom ersten Verdacht bis zur Überführung und Festnahme des Paares; die entwürdigende Behandlung, peinvoll intime Befragung vor Gericht, vorgestellt als innerer Dialog der Frau, der die Ereignisse antizipiert oder rekapituliert – das alles richtet sich vor allem ans Gefühl der Zuschauer, die die Bedingungen der Apartheidpolitik kennen, die barbarischen Bestimmungen und deren rigorose Exekution.

Fugards Inszenierung wirkt hier – sieht man ab von der hervorragenden schauspielerischen Leistung (Yvonne Bryceland/Ben Kingsley) – vor allem durch seinen Gegenstand, den himmelschreienden Sachverhalt. Als Theaterstück ist es das schwächste der Serie. Man hat den Eindruck, als teile sich die Sache, um die es geht, von selber mit.

Wie das Gesetz es befiehlt: “Be it enacted by the Queen’s Most Excellent Majesty ... “

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